Bring ‘em home?!
Der MDR berichtet heute von den Plänen der Stadt Halle, 90% der in Heimen untergebrachten Kinder nach Hause zu „entlassen“. Um rund 300 Kinder soll es sich handeln.
Wenn heute von „Heimkindern“ die Rede ist, dann sind es erstmal in den wenigsten Fällen Waisen. Das typische Klischee des Vollwaisen, der im Heim ob fehlender Verwandtschaft aufwachsen muss, ist ein Relikt aus alten Schwarz-Weiß-Filmen. In einem Kinderheim wachsen heutzutage größtenteils Kinder und Jugendliche auf, die verhaltensauffällig sind.
Pauschal allen Familien für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche die Verantwortung zuzuweisen, ist weder sachlich richtig, weder pädagogisch sinnvoll und wird auch der vielfältigen und individuellen Lebenswelt (Milieu, institutionelle Sozialisation, Medien etc.) sicherlich nicht gerecht.
Trotzdem sind es die Familien, die die Entwicklung des Kindes nicht grundlegend verändern konnten.
In §34 (2) SGB VIII heißt es:
Sie [die Heimerziehung] soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie
1. eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
[…]
Von Alter und Entwicklungsstand und von den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen ist dort die Rede. Von den gut 2 Millionen Euro Einsparungen, die der MDR erwähnt, ist definitiv nicht die Rede. Und das sich quasi über Nacht die Situation in den 300 Familien zum besseren verändert hat, bezweifele ich einfach einmal.
Und wann haben wohl die Kinder, Jugendlichen, ihre Familien, ihre Betreuer und Therapeuten von dieser Idee erfahren?
Wie lange hatten die Kinder und Jugendlichen Zeit sich auf diesen Umzug vorzubereiten? Schließlich ist es nicht nur ein Wohnungswechsel sondern ein (vielleicht vollkommen) anderes soziales Umfeld? Hoffentlich länger als von heute bis zum Monatsende in zehn Tagen, oder? Und da einige der Kinder und Jugendlichen wahrscheinlich auch in psychologischer Therapie sind (oder gerade jetzt benötigen), reichen da einige Tage aus sicherlich aus. Vielleicht haben sie es ja schon vor zwei Monaten erfahren?!