Ein anderer Blickwinkel. Zum medizinisch betreuten Freitod

Claudia Klinger (@Humanvoice) hat gestern einen lesenswerten Blogpost veröffentlicht. Unter dem Titel Zum Recht auf einen medizinisch betreuten Freitod (Hart aber fair) schreibt sie zur tagszuvor gelaufenen TV-Diskussion „Hart aber fair“. Und Claudia Klinger vertritt aus einer individuellen Sicht das Recht auf einen medizinisch betreuten Freitod. Sehr anschaulich, sodass es mir schwer fällt ihr zu widersprechen.

Trotzdem muss ich ihr widersprechen. Nämlich aus einem gesellschaftlichen Blickwinkel, auch wenn ich aus dem Blickwinkel der Einzelperson kein Argument gegen den medizinisch betreuten Freitod sehe.

Gebeine. Friedhof / Kirche in Pürgg
Gebeine. Friedhof / Kirche in Pürgg

Individuum <-> Gesellschaft

Ich möchte mein Argument gegen Sterbehilfe in jeglicher Form mit einem einzigen Argument begründen. Pointiert (provokant?) formuliert lautet es:

Weil wir in einer Leistungsgesellschaft leben, wird jede Form von legaler Sterbehilfe dazu führen, dass sich Kranke und Alte gezwungen fühlen, sich zu entleiben.

Mein Gedanke ist, dass eine weitere Verinnerlichung unserer Leistungsgesellschaft unweigerlich dazu führt, dass sich Menschen, die keine Leistung mehr erbringen können (Rentner, Kranke), wertlos fühlen. Das ist jetzt schon häufig Normalität und wird sich noch weiter verstärken. Mit der Sterbehilfe hätten sie einen schnellen Ausweg.

Das mag für sie selber kein Problem darstellen, ist aber dann doch ein gesellschaftliches Problem. Denn wohin führt eine Gesellschaft, die so ihre leistungsschwachen Mitglieder aussortiert?! Oder diesen auch nur ein entsprechendes Gefühl vermittelt?

Ein medizinisch begleiteter Freitod kann hier den Anfang einer sehr unmenschlichen Entwicklung darstellen. Ähnlich wie bestimmte Gesetze immer weiter ausgeweitet werden. Salamitaktik lautet hier ein Stichwort.

Die Niederlande gelten im Bereich der Sterbehilfe oftmals als Vorreiter. Und eine vor einigen Jahren veröffentlichte Studie spricht gegen meine düstere Prognose. Vielleicht habe ich mit meiner kulturpessimistischen Sichtweise also Unrecht. Oder die medizinisch begleitete Sterbehilfe wirkt erst auf längere Sicht, wie ich vermute.
Wie dem auch sei, Sterbenskranken hilft meine Sichtweise in keinster Form. Bedauerlicherweise. Oder schaffen wir es, als Gesellschaft gemeinsam, hier strikte und unumstößliche Regeln und Gesetze aufzustellen? Zusätzlich zu gesellschaftlichen Umgangsformen, die niemals irgendjemanden aus der Gemeinschaft ausschließen?