Alternativer Reiseführer für Deutschland
Die Innenstadt von Hannover ist ein überdimensionaler Gehweg. In Bahnhofsnähe ist dieser etwa so breit wie eine dreispurige Autobahn. Das hat die Hannoveraner Stadtplaner auf eine pfiffige Idee gebracht. Sie gruben einen Kanal in die Fußgängerzone, und in diesen Kanal füllten sie nicht etwa Wasser, sondern weitere Geschäfte. Die Schaufensterfläche in dieser an Schaufensterflächen reichen Stadt wurde auf diese Weise nahezu verdoppelt, und man kann auf zwei Etagen durch die Fußgängerzone laufen. (Jan Weiler: In meinem kleinen Land)
Bei Lectrix bin ich auf ein interessantes Buch aufmerksam geworden. „In meinem kleinen Land“ heißt dieser subjektive und ungewöhnliche Reiseführer und beschreibt einige deutsche Städte, die Jan Weiler bei einer Lesereise besucht hat. Sie zitiert einige Abschnitte über Freiburg und Passau, in denen ein durchaus netter Stil zu erkennen ist.
Auf NDR Kultur hat eine Rezension des Buches. Sie zitieren eine kurze Passage über Hannovers Innenstadt, die ich absolut passend finde und deshalb oberhalb angeführt habe.
Hi Lectrix,
danke für dieses schöne Zitat. Wobei natürlich die Innenstadt Osnabrücks nicht stellvertretend für Osnabrück stehen kann. Schließlich sind dort nicht der Portugisches Club und der Spanische Club. Und gerade Karmann und die vielen „Gastarbeiter“ machen Osnabrück ja gerade zu diesem interessanten und teilweise auch schönen Städtchen, dass den Spagat zwischen Stadt und Großstadt ja immer wieder zelebriert 😉
cu
Marc
Hey Marc,
freut mich, dass ich Dein Interesse für dieses Buch wecken konnte.
Da Dir die Passage über Hannovers Fußgängerzone gefällt, vielleicht zum Vergleich die Passage zu Osnabrücks Innenstadt, die ich passend und erfreulich positiv finde:
„Die Stadt Kassel rühmt sich, die erste Fußgängerzone Deutschlands gebaut zu haben. Wenn ich mich richtig erinnere, feierte sie gerade ihren fünfzigsten Geburtstag (die Fußgängerzone, nicht die Stadt Kassel). In Kassel hatten sie nach dem Zweiten Weltkrieg jede Menge Platz für Stadtplanung, und dies hat für einigermaßen schreckliche Ergebnisse gesorgt. In Osnabrück hält sich das Grauen in Grenzen, eigentlich ist die Osnabrücker Fußgängerzone sogar vergleichsweise hübsch. Ich wette, dass sie irgendwann von Waschbetonkübeln mit dornigen Sträuchern und orangefarbenen Abfallbehältern befreit wurde. Jedenfalls laden viele Restaurants und Kneipen zum Kennenlernen der Osnabrücker Bevölkerung ein. Überall stehen Stühle draußen, und es sitzen sogar Menschen darauf. Es ist die Zeit im Jahr [26. September], da die Heizpilze den Sommer verlängern. Was wäre unser Land bloß ohne Heizpilze?
Und ohne Studenten! Studenten sind für Städte furchtbar wichtig, denn sie bringen Leben, Crêpes und Fahrradständer ins Ortsbild. Osnabrück ist Universitätsstadt, wenn auch erst seit knapp dreißig Jahren. Und Bischofssitz, deshalb steht ein passabler Dom unweit des lustig sich durch die Gemeinde schlängelnden Flüsschens. Der Fluss heißt Hase, und zwar übrigens »die« Hase und nicht »der« Hase. Keine Ahnung, wo deutsche Flüsse ihr Geschlecht herbekommen. Warum ist der Rhein männlich und die Donau weiblich? Und warum erst die Hase? Osnabrück, du machst mir Spaß! Zu den großen Errungenschaften Osnabrücks gehört ein von dem weltberühmten Architekten Daniel Liebeskind entworfenes Museum, das ohne rechten Winkel auskommt. Es wird dort das Werk des im Vergleich zum Architekten nicht ganz so berühmten Malers Felix Nussbaum gewürdigt. In einer einzigen Nacht hatten die Amerikaner 180 000 Bomben auf diese Stadt geworfen. Und sie ist immer noch da.“
(Jan Weiler: In meinem kleinen Land, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2006, S. 45 f.)